Wenn Grenzen überschritten werden

Ein Kommentar zum „Bauern-Streik“

Von einer Krise in die andere, von einer fragewürdigen Entscheidung der Ampel-Regierenden zur Nächsten. Der Protest der Landwirte kommt im Gegensatz zur Entscheidung zur Aussetzung der Diesel-Agrar-Subvention nicht spontan. Dass sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir mit Landwirtinnen und Landwirten solidarisiert und sich gegen die Streichung der Subventionen ausspricht, ist nicht nur bemerkenswert. Es zeigt das rigorose und unsozial anmutende Vorgehen Robert Habecks zur Durchsetzung zur Erschließung von Pseudo-Sparplänen, ohne sogar seinen Landwirtschafts-Minister ins Boot zu holen. In seiner Rede verweist er mit dem üblichen Gepolter zur Herabsetzung der Glaubwürdigkeit der Protestierenden fortlaufend auf die Aussetzung der Demokratie, die von den zu Extremen gefährdet wird. Natürlich formuliert er das geschickt mit der Anmerkung, dass wir in unserem Staat unbedingt Demonstrieren gehen sollen, aber es ist das perfide Spiel, diese Antistimmung und Ablehnung dahinter, dass von keinem Wirtschaftsminister veranstaltet werden darf.

Bei aller Toleranz, die man gegenüber dem Wirtschaftsminister noch aufzubringen versuchen könnte, muss man zu dem Schluss kommen, dass wenn überhaupt nur noch ein geringer Teil von reichen Menschen seiner Meinung sein kann: Seine Aussage, die Landwirte könnten sich doch selber entwickeln und Biogutshöfe aufbauen, ist mehr als ein Schlag ins Gesicht. Es ist sachlich schlichtweg falsch: Erstens wollen die Konsumenten in Deutschland auf einem preissensiblen Markt günstige Milch und andere Produkte kaufen. Zweitens: Woher nimmt sich ein Wirtschaftsminister das Recht, den Landwirten vorzuschreiben, wie sie zu arbeiten haben? Ein Familienbetrieb, der zum Beispiel von Generation zu Generation fortlaufend Viehwirtschaft betreibt, macht das mit entsprechendem Einsatz, zwischendurch mit 80 Stunden pro Woche, wenn die jährliche Maisernte eingefahren wird.

Ab 2024 müssen EU-weit 4 Prozent der Ackerfläche für Artenschutz brachliegen und es tritt unter anderem ein Verbot des Pflügens von Dauergrünland in Natura-2000-Gebieten in Kraft, man kann nachvollziehen, dass diese Maßnahme als Enteignung von Land verstanden werden kann, wo dann immerhin real diese Fläche nicht produktiv genutzt werden kann, so werden dann Grenzen wortwörtlich überschritten. Angeblich werden die Landwirte aus Brüssel üppig bezuschusst, wie eine Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aufzeigen soll. Im EU-Haushaltsjahr 2022 erhielten knapp 270.000 Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland rund 6,9 Milliarden Euro. Am meisten bekamen die Bauern im Landkreis Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern mit knapp über 112 Millionen Euro. Zunächst ist das hier wieder das Gießkannen-Prinzip, ähnlich wie bei der Energiepreisbremse oder der Corona-Zahlungen an die Gastronomie während der Coronakrise, wobei Unternehmen wie auch McDonalds Millionen-Zahlungen als Entschädigung erhalten haben. Die Tönnies Fleischwerke erhielten im vergangenen Jahr 2,6 Millionen Euro Agrarförderung aus Brüssel, im Übrigen erhielt der Süßwarenhersteller Storck 3,32 Millionen Euro aus dem Topf, da die Ausübung eines landwirtschaftlichen Betriebes in Europa recht weit ausgelegt werden kann. So trifft es die Fischer zum Beispiel besonders hart, die die höheren Verbrauchspreise an Diesel für ihre Schiffe zu spüren bekommen. Eine Förderung der Familienbetriebe wird nicht zielgerichteter realisiert, obwohl die Unterstützung dieser Landwirte historisch verankert ist, natürlich aus Gründen einer gesunden und nachhaltigen Landwirtschaft. Ja, es fließen mit ca. einem Drittel des Haushaltes entsprechende Gelder an die Landwirte, aber aufgrund des Verteilungsschlüssels, der sich an der Realität vorbei zum Beispiel nach der Größe eines Staates richtet, fallen die Umsätze bei den meisten Familienbetrieben geringer aus. Die deutschen Landwirtinnen und Landwirte erhalten das Geld nicht direkt aus Brüssel. Stattdessen legt die Bundesregierung eine Flächenprämie fest, sie wird dann von den Zahlstellen der Bundesländer überwiesen. Um neben der Basisprämie unter Umständen weitere Zahlungen erhalten zu können, liegt für den einen oder anderen Antragssteller noch in den Sternen, von mehr Bürokratie-Aufwand für ausgedehnte Umweltvorschriften abgesehen. Die Basisprämie von rund 173 €/ha im Jahr 2020 fiel auf etwa 150 €/ha Einkommensgrundstützung im Jahr 2023.

Bei den meisten Landwirten bleibt in den letzten Jahren schlichtweg weniger an Geld hängen, im Grunde so wie bei den anderen Konsumenten auch, was bei einer steigenden Inflation und verbunden höheren Aufwendungen für Energie nicht verwunderlich ist. So richtet sich der Protest der Landwirte gegen die weiteren Kürzungen. Da Tönjes und Co aufgrund ihrer Betriebsgröße überdurchschnittlich höhere Zahlungen erhalten, bleibt die gerechte Verteilung auf der Strecke. Wenn man den Landwirten nicht die Diesel-Agrar-Subvention gestrichen hätte, würden viele von ihnen schwerer über die Runden kommen. Im Grunde wie wir alle, nur wollen wir hochwertige und günstige Produkte beim Discounter kaufen, der auch Millionengewinne durch den Verkauf von Eiern, Fleisch und Co einstreicht. Ja, wir müssen das Geld in unserer Gesellschaft möglichst gerecht verteilen. Das erfolgt aber nicht. Während wir hunderte von Milliarden aus dem Fenster schmeißen, sollen plötzlich eine Milliarde an Mehreinahmen aus der Diesel-Agrar-Subvention erzielt werden. So müssen wir gemeinsam protestieren, also wir, das sind dann der Mittelstand, die Speditionen, die Landwirte und viele andere auch. Wer in Deutschland reich ist und moralisch bereit ist, entsprechende Mechanismen in Kraft zu setzen, zahlt idealerweise höchstens 1 Prozent an Steuern, und das ist nun wieder eine andere Geschichte, die aber deutlich macht, was unsere heutige Zeit ausmacht. Das Leben vieler Menschen am Rande der Existenz und das gilt sicherlich auch für den einen oder anderen Landwirt, der ebenfalls in eine Zukunft schauen möchte. Was ist die Zukunft eines Landwirtes? Noch mehr Bürokratie, weitere Verordnungen im Umweltbereich. Und wer diese Verordnungen nicht einhält, wird zur Kasse gebeten, denn dafür steht die aktuelle Ampel-Regierung.