Wenn Ken für Barbie in den Krieg ziehen würde … Die Manipulation des Filmes für Kriegs-Propaganda

Autor: Gunnar von Spreckelsen, Datum: 15.11.2023


„Der Zweite Weltkrieg war der erste Krieg in der Geschichte der Menschheit, in dem mittels Rundfunkpropaganda große Teile der Bevölkerung eines feindlichen oder neutralen Staates unmittelbar und fast ohne Interventionsmöglichkeit der anderen Regierung mit Informationen über Kriegsverlauf, politische Absichtserklärungen und Ankündigungen künftiger Sanktionen gegen Kriegsverbrecher beeinflusst wurden.“[1] Historiker sind sich einig darüber, dass die Rundfunk-Propaganda eine umfangreichere Rolle dabei gespielt hat, die Bevölkerung für den Krieg einzustimmen: „Viele Bücher sind geschrieben worden, um diese Frage zu beantworten und aus Sicht der Propagandaforschung steht heute fest: Möglich wurden diese Verbrechen auch dadurch, dass man mit rücksichtsloser Kriegspropaganda Menschen gegeneinander aufhetzte und alle schon im Ersten Weltkrieg verwendeten Soft-Power-Techniken durch das Radio noch intensiver einsetzen konnte, um Angst und Hass zu schüren, die als Basis für die Gewalt dienten.“[2] Dann kamen die Bilder in die Kinos, heute hat allein der Streaming-Dienst Netflix Millionen von Abonnenten weltweit, „die Anzahl der zahlenden Netflix-Abonnenten ist im dritten Quartal 2023 erneut gestiegen und belief sich auf rund 247 Millionen.“[3]

Filme, die mehrere Generationen prägten, gibt es viele, wobei aus deutscher Sicht Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo ein gutes Beispiel ist. In einem zumindest für die damalige Zeit harten dokumentations-ähnlichem Film wird die Kinder-Prostitution und Drogenabhängigkeit als die Lebens- und Leidensgeschichte des Mädchens dargestellt. Der Erfolg des Filmes ist teilweise auf seine Schock-Wirkung zurückzuführen, aber in seiner langfristigen Konsequenz und Wirkung veränderte er die Denkweise vieler seiner Zuschauer zum Thema Kinderprostitution und deren Drogenkonsum. Noch nach Jahrzehnten war dieser Film Bestandteil des Schulunterrichtes, um Jugendliche abzuschrecken. „Zuvor waren Probleme wie Drogensucht, die emotionale Verwahrlosung und die sexuelle Ausbeutung der jungen Generation in den Medien als „Randgruppenthemen“ abgetan worden, doch Wir Kinder vom Bahnhof Zoo rückte das Geschehen am Berliner Bahnhof Zoo auf die Titelseiten und in die Köpfe einer entsetzten Elterngeneration.“[4] Als Konsequenz konnten die Erwachsenen diese grausame Parallelwelt nicht mehr ignorieren, sie war unweigerlich in ihren Köpfen und Denkweisen verankert wurden. Im Fernsehen wie zum Beispiel in der 20-Uhr-Tagesschau wurde das Thema medial behandelt. Der Film hat seine Wirkung erzielt, die Produzenten wollten selbstverständlich nur auf eine für sie passendste Weise schonungslos aufklären.

Viele Filme leben vom Merchandising. „Star Wars gilt als erster Film, mit dem große Merchandising-Einnahmen, die sogar die Einnahmen durch den Film selbst überstiegen, gemacht wurden. Davor galt Merchandising in der Filmindustrie nur als kleines Nebeneinkommen.“[5] Das neue an Filmen wie The Lego Movie-Reihe war aber, dass der Hauptzweck seiner Produktion nur darin begründet ist, den Zuschauer dazu zu bewegen, mehr Legoprodukte zu kaufen.
Im Sinne von Kriegen spricht man von der Kriegspropaganda, um seine Rezipienten zu seinen Gunsten zu beeinflussen, genauer charakterisiert dieses der Begriff der Kognitiven Kriegsführung, sie ist bereits relevanter seit dem 1. Weltkrieg und wird bis heute durch die Geheimdienste und zum Beispiel der NATO fortlaufend weiterentwickelt.
Ist es möglich, dass Filmproduzenten, Public-Relations-Experten und Interessen-Vertreter wie korrupte Regierungen mediale Inhalte kognitiv zur Erreichung ihrer Kriegs-Interessen einpflanzen können, um die Meinung der Massen zu beeinflussen? Daran gibt es keinen Zweifel, Filme wie Top Gun oder „Black Hawk Down“ sind nur zwei Beispiele für bewusst inszenierte Kriegspropaganda-Filme. „Der Sicherheitsapparat der USA platziert seit Jahrzehnten Propaganda in Tausenden von Filmen und Serien. […] Offiziell geht es darum, Aktivitäten des Militärs und der CIA in den Filmen «realistisch» abzubilden. In Wahrheit verbreiten die US-Behörden Desinformation und Lügen – das Publikum erfährt davon nichts“.[6] Die US-Armee hat vor der Ausstrahlung des neuen Top-Gun-Filmes Maverick militärische Rekrutierungs-Werbevideos geschaltet, außerhalb der Kinosäle standen direkte Stationen zum Beitreten in die Armee zur Verfügung.


Der aktuelle Barbie-Film hat nichts mit Kriegs-Propaganda gemein und stellt dort kein negatives Beispiel dar. Der Film hat nach Meinung der allermeisten Kritiker nur das Ziel, das Merchandising zum Kauf von Barbie-Produkten anzukurbeln. Der Film zählt kommerziell zu den erfolgreichsten und hat bereits im Vorfeld sehr gute Marketing-Arbeit geleistet. Dabei ist die gesamte Produktion so beeindruckend zielgerichtet und professionell umgesetzt wurden, dass die Frage auftaucht, könnte mich ein etwas anders erzählter Inhalt mit Kriegs-Handlungen und Gedanken von Barbie und Ken dazu bringen, kognitiv im Sinne von Militär-Interessen manipuliert zu werden? Auch daran gibt es keinen Zweifel, weil der Film mehrschichtig aufgebaut ist und in jeder Szene Rad für Rad zielgerichtet und manipulativ agiert, um die Barbie-Produkte nicht nur in ein optimales Bild zu rücken, sondern beim Zuschauer ein Gefühl zu einem Pro-Kauf der Produkte zu platzieren. Es wäre nur ein etwas anders erzählter Kontext notwendig, um Kriegspropaganda zu betreiben. Überspitzt könnte man sagen, dass Filme wie Top Gun: Maverick nicht annährend so gut produziert wurden, um ihre wenngleich auch völlig unterschiedlichen Marketing-Ziele zu platzieren. „Die Komödie sollte trotz feministischer Anklänge aber nicht als Gesellschaftssatire, sondern vielmehr als "Markenfilm" gelesen werden, sagt Marketingprofessor Dr. Oliver Vogler von der International School of Management (ISM)“[7]. In der Handlung des Filmes können reale Menschen in das „Reich der Barbies“ gelangen, umgekehrt gelingt es Barbie und Ken auch, in die Realwelt der Menschen zu gelangen. Die Marketing-Kampagne erarbeitet sich die Beeinflussung, dass Barbie divers und inklusiv ist. In einem Handlungsstrang wandelt sich auch Ken von einem stereotypen Mann zu einer toleranten Figur. Dabei bekämpfen sich zwischenzeitlich unterschiedliche Kens auf eine kindergerechte friedvolle Weise untereinander. Am Schluss des Filmes wird der Zuschauer emotional sehr stark angesprochen und als Besonders dargestellt. Barbie fragt die Mitbegründerin von Matell, Ruth Handler, ob es ihr gestattet ist, ein Mensch werden zu dürfen, nun ist der Zuschauer und die Barbie-Puppe miteinander endgültig vereint.

Wenn man die Handlung jetzt etwas anpassen würde, in dem die Kens in ihrem eigenen Fantasie-Reich mit Panzern und echten Waffen kämpfen und die Botschaft verbreiten, wie notwendig und alternativlos ein vernichtender Krieg ist, es würde seine Wirkung garantiert nicht verfehlen! Das Fantasieland in Pink würde dann erhalten bleiben. Der entscheidende Grund dafür ist die bereits angedeutete Mehrschichtigkeit, und das wir hier deutlich: Der Zuschauer ist bereits unbewusst so in den Bann gezogen, dass er sich vor allem mit Barbie identifiziert und sich wünscht, dass es ihr gut geht. Wenn wir nun argumentieren, das sich Werbepsychologie und Public-Relation-Arbeit im Sinne der kognitiven Kriegsführung sehr gleichen, können wir festhalten: Denn bevor der Rezipient im Sinne von Kriegspropaganda final manipuliert ist, muss eine Stimulation erfolgen. Der Zuschauer muss wie eine Nuss geöffnet werden, die nun nach der Schale ihren Kern offenbart. „Notwendige Bedingung der Wirksamkeit der Propaganda ist, dass sie nicht explizit als Propaganda auftritt, sondern sich als sachliche Information oder als ethisch oder juristisch begründetes Werturteil präsentiert […] Die Gemeinsamkeiten aller Techniken sind: die emotionalisierende Suggestion, der Appell an Grundbedürfnisse und Urängste, Instinkte, die Werte und Mythen der Gesellschaft, der mangelnde Bezug zur Realität, die Vereinfachung, die Abkürzung oder Auslassung der rationalen Analyse, die Ausschaltung von Widerspruch, Zweifel und Diskurs, das Freund-Feind-Schema, der Anspruch auf allgemeine Geltung.“ [8] Und eben das macht der Film Barbie besser als so mancher Propaganda-Kriegsfilm: Barbie suggeriert sich als einzigartige Persönlichkeit, die aus Sicht des Benutzers unbedingt erworben werden muss. Sie muss als liebevolle Persönlichkeit aber auch beschützt werden. Wären jetzt das US-Militär und der Hersteller Lockheed Martin auch neben Top Gun: Maverick an dieser Produktion beteiligt und würden Waffe und Militär-Inhalte einbringen, der Zuschauer würde seine verstärkte Vorliebe für solche Dinge nicht einmal bewusster wahrnehmen, die Wirkung würde sich aber zweifellos entfalten.


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Rundfunkpropaganda_im_Zweiten_Weltkrieg
[2] Arendt, Hannah (1955) Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (Piper)
[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/196642/umfrage/abonnenten-von-netflix-quartalszahlen/
[4] WIR KINDER VOM BAHNHOF ZOO (Presseheft der neuverfilmten Amazon-Original-Serie)
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Merchandising
[6] https://medienwoche.ch/2022/06/28/top-gun-als-spitze-des-eisbergs-kriegspropaganda-im-us-film/
[7] https://www.presseportal.de/pm/70776/5634986
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Techniken_der_Propaganda_und_Manipulation